Lucas blieb noch einige Zeit auf dem Rasen liegen und
starrte in den Abendhimmel. Er hörte die Geräuschkulisse von den Tribünen um
sich herum wie unter einer Käseglocke. Sein Puls ging ganz ruhig, seine Brust hob
und senkte sich und die Schweißperlen, die während des ganzen Spiels vom
Laufen abgeschüttelt wurden, konnte sich zu größeren Tropfen formen und ronnen
sein Gesicht hinunter. Bald war er klatschnass und er merkte, wie schon ein
leichter Windhauch über sein feuchtes Trikot genügte, ihn frösteln zu lassen.
Es war Zeit aufzustehen, die Fans, die Presse und die anderen Spieler hinter
sich zu lassen.
Während die letzten noch Autogramme gaben und die ersten
bereits aus der Dusche kamen, schritt Lucas, fast unbemerkt, durch die Katakomben
der Arena zur VIP-Tiefgarage und stieg in seinen BMW. Er würde sich erkälten in
diesen feuchten Sachen, doch das war ihm egal. Die Sorge um seinen Körper, die
Angst krank zu werden, musste er nun nicht mehr haben. All der Stress und der
Druck des Profifußballs lagen nun hinter ihm. Jetzt war er wieder nur ein ganz
gewöhnlicher Mann. Je weiter er sich vom Stadion entfernte, desto freier konnte
er atmen. Vor seiner Wohnung lauerten auch keine Papparazzi, dazu war er jetzt nicht
mehr interessant genug. In seinem Penthouse war bereits alles vorbereitet, der
Raum angenehm temperiert, Kühlschrank und Speisekammer gefüllt und das Bier
kaltgestellt. Lucas begann schon im Wohnzimmer sich auszuziehen und als er im
Bad ankam, galt es nur noch die Unterhose abzustreifen und sich lange und
ausgiebig von seiner Regenschauerdusche berieseln zu lassen. Der maritime Duft
des Duschgels verbreitete sich in der ganzen Wohnung und wohlig eingekuschelt
in den flauschigen Bademantel nahm er mit einem Bier in der einen Hand und der
Fernbedienung in der Anderen auf der Couch Platz. Jetzt konnte er endlich das sein,
was er schon so lange unterdrückte: ein schwuler Gainer.
Das Stillschweigeabkommen zwischen den Boulevardmedien und
den schwulen Spielern bzw. den Vereinen funktionierte schon seit vielen Jahren
reibungslos. Die Presse wurde regelmäßig mit guten Inhalten versorgt und im
Gegenzug gab es in der Bundesliga keine Homosexualität. Wie auch im Fall von
Lucas, so waren die Fakten über einzelne Spieler natürlich bekannt. Es gab
Beweisfotos und Chatprotokolle, mit denen man den Spieler sofort hätte
bloßstellen können und seiner Karriere ein Ende setzen. Kein Verein würde das
Risiko eingehen, durch einen schwulen Spieler auf dem Platz Fans und
Werbekunden zu verlieren, da verlängerte man dann einfach den Vertrag nicht
mehr, wenn jemand mit einem Outing drohte. Das gestrige Spiel war das letzte in
dieser Saison für Lucas gewesen und bei diesem Verein auch sein letztes
überhaupt. Er hatte mit einem der kleineren sogar noch Vertragsverhandlungen
geführt, aber dann wurde es ihm schließlich doch zu blöd, sich zu verstecken.
Große Werbeverträge zu verlieren hatte er auch keine, schließlich spielte er
nicht bei den Bayern oder in der Nationalmannschaft. Alles in Allem war es ein
schmerzloser Abschied in den Ruhestand. Mit 30 Jahren und einem Vermögen von 2
Millionen auf der hohen Kante. Wenn nichts passierte könnte er tatsächlich sein
ganzes restliches Leben von Zinsen und Mieteinnahmen leben und müsste sich um
nichts mehr kümmern. Vielleicht würde er noch ab und an in einer Talkshow
auftreten oder ein Buch schreiben. Aber eher nicht, denn für das Fernsehgeschäft
wäre er sicher bald zu fett und zum Schreiben fehlte ihm die Intelligenz. Im
Prinzip konnte er nichts außer Fußball zu spielen. Das hatte er seit seinem 6
Lebensjahr gemacht, nebenbei noch den Realschulabschluss, und ansonsten nur
Profikarriere. Aber was brauchte er auch Abschlüsse und Titel, er war
schließlich reich und jung!
Zum Start seines neuen Lebens hatte er eine Tabelle angelegt
mit seinen Maßen, denn er wollte sehen, wie schnell er sich veränderte. Dass er
leicht an Gewicht zunahm war ihm schon immer bewusst und es hatte mehr als eine
Spielpause gegeben, in der er sich einen kleinen Fettbauch angefuttert hatte.
Sein Trainer hatte ihm den dann zur neuen Saison immer wieder abtrainiert, aber
die Fettzellen blieben. Gestern vor dem Spiel hatte die Waage 88 kg bei einer
Größe von 1,80 m gezeigt, dazu eine 30er Taille. Sein Körper war eben noch voll
im Training und sehr muskulös.
Gegen Mittag wurde er langsam wach, wobei zwischen Aufwachen
und Aufstehen nochmal eine halbe Stunde verging, in der er sich total verkatert
auf der Couch hin und her wälzte. Schließlich hatte er es aber ins Bad und
direkt in die Badewanne geschafft. Nach gefühlten anderthalbstunden Einweichens
fühlte er sich einigermaßen fit. Er tappte zurück zur Couch und fuhr den Laptop
hoch. Hunger hatte er noch keinen. Der Bauch hatte noch eine leichte Wölbung,
nichts mehr im Vergleich zu gestern Nacht, als er prall gestopft bis zur
Kapazitätsgrenze war, aber immerhin noch ein wenig rund. Lucas hatte sich vor
der Webcam von einem Feeder anstacheln lassen immer noch ein Häppchen mehr zu
futtern, was ihn besonders geil machte. Jetzt, da er seine Identität nicht mehr
verbergen musste, konnte er beim Chatten auch sein Gesicht zeigen. Aber zu
seiner Enttäuschung erkannte ihn der Feeder gar nicht.
Nachdem er nun die erste Nacht mit faulem Fressen und
Biersaufen hinter sich hatte, waren es schon 90 Kilo. Für heute sollte es nun
endlich zu einem Live-Treffen kommen. Es gab da einen Typen aus seiner Stadt, mit
dem er schon seit ein paar Wochen chattete und für heute Nachmittag hatten sie
sich nun zu einer ersten Zusammenkunft verabredet. Und nun war es bereits 15
Uhr, wie Lucas entsetzt feststellte. Noch eine halbe Stunde bleib ihm, um zum
vereinbarten Treffpunkt zu kommen. Er sprang auf, rannte ins Schlafzimmer und
merkte beim schwankenden Gang schon, dass es mit Autofahren im Moment noch
nichts wurde. Also rief er schnell ein Taxi, während er in die Klamotten
schlüpfte. Auf der Fahrt schickte er fix noch eine SMS ab, dass er sich ein
paar Minuten verspäten würde und hoffte, dass sein Date ihm das nicht krumm
nähme. Die letzen Meter zum Treffpunkt legte er im Sprint zurück, wobei ihm
seine Fußballerkondition erheblich nützte. Hechelnd und schon ein wenig geschwitzt
stand er nun in der Einkaufspassage vor der McDonaldsfiliale. Er blickte sich
suchend um nach einem ca. 1,75 Meter großen, 100 Kilo schweren Typen mit kurzen
Haaren und einem Kinnbart. Dummerweise hatten sie kein Erkennungszeichen, wie
bestimmte Kleidung, ausgemacht. Lucas Atmung normalisierte sich und er stellte
sich an ein Geländer, um in Ruhe mit scannendem Blick über die Leute zu gehen.
Es fielen ihm drei Typen auf, die vielleicht passen könnten, aber alle saßen
sie an ihren Tischen blickten auf ihr Essen, so dass er mit keinem von ihnen
Blickkontakt aufnehmen konnte. Er holte sein Handy raus und rief die Nummer an,
doch nach zwei Klingeln kam die Mailboxansage. Verdammt, dachte er, dann hat
der Typ vielleicht auch meine SMS nicht bekommen und ist schon wieder
heimgegangen. Oder hatte er sich auch verspätet? Sie hatten eigentlich gesagt,
dass sie sich VOR der Filiale treffen würden, aber was schadete es, wenn er
sich in der Zwischenzeit schon einmal etwas holte und sich dicht ans Fenster
setzte. So war er zu sehen und konnte gleichzeitig den Eingangsbereich im Auge
behalten. Glücklicherweise wurde auch gerade ein gut einsichtiger Tisch frei,
als er mit seinem Tablett auf Platzsuche ging. Im Moment als er sich setzen
wollte zischte es von der Seite:
„Hey, wieso kommste denn nicht an meinen Tisch rüber?“ Lucas
drehte sich ruckartig um und hätte fast sein Getränk verschüttet. Da saß einer
der drei potenziellen Typen und jetzt wo er ihn aus der Nähe sah, erkannte er
auch das Gesicht wieder. „Keine Angst, ich beiße nicht.“ Sagte der Bär
grinsend. „Hab ja auch den ersten Hunger schon gestillt.“ Lucas nahm Platz.
Kommentare
Ich bin gespannt auf die Fortsetzung !